In dem Artikel geht es um drei Veröffentlichungen zum Thema “Algorithmus” bzw. “Algorithmus Buch”. Ich bespreche diesmal einen Podcast und zwei Bücher, eines davon (Technopolitik von unten) ist ziemlich neu. Allen gemeinsam ist, dass sie entweder von oder mit Simon Schaupp sind. Simon Schaupp arbeitet als Soziologe und ist Oberassistent am Lehrstuhl für Sozialstrukturanalyse der Universität Basel.
Beginnen wir vielleicht mit dem Podcast, den kann man am einfachsten “sofort” konsumieren, die Bücher muss man ja erst kaufen. Im Podcast beschreibt Simon Schaupp grob gesagt die Entstehungsgeschichte des Buches “Technopolitik von unten”. Um das Buch schreiben zu können, hat er nämlich einige Jobs angenommen und hat als Fahrrradbote Essen ausgeliefert und in Logistiklagern gearbeitet. Dabei hat er die Trackingsysteme, die von den einzelnen Firmen genutzt werden, dokumentiert und analysiert. Zusätzlich hat er dann noch mit vielen Beteiligten gesprochen: Natürlich mit den Arbeiterinnen und Arbeitern in den Firmen. Aber auch mit Gewerkschaftern, Managern und Ingenieuren.
Das Ergebnis ist mehr als interessant: In der sogenannten Industrie 4.0 wird die Digitalisierung eingesetzt um Arbeitsprozesse zu optimieren. Simon Schaupp beschreibt detailliert, wie die Trackings und die darauf aufbauenden Optimierungen aussehen. Anders als man sich das vielleicht vorstellt, wird das Tracking nicht verwendet um z. B. Profile der Arbeiter aufzubauen, und dann diejenigen zu entlassen, die am langsamsten sind. In den Firmen gibt es laut Simon Schaupp ein relativ großes Bewußtsein zu den Themen Datenschutz und Profiling. Die praktizierte Vorgangsweise ist aber viel interessanter und trotzdem ziemlich fragwürdig: Die Ergebnisse des Trackings werden den Arbeiterinnen und Arbeitern direkt ausgegeben und leiten sie an “besser” zu arbeiten. Sie erhalten also Anleitungen zur Selbstoptimierung.
Überlegt man sich das jetzt genauer, stellt man fest, dass das natürlich auf den ersten Blick ziemlich viel Sinn macht. Wer arbeitet denn gerne ineffizient? Was dabei unangenehm aufstößt, das ist, dass die erhöhte Effizienz den Firmen zugute kommt und nicht den Arbeitenden. Das kritisiert auch Simon Schaupp und schlägt verschiedene Lösungsmodelle vor. Zum Beispiel könnten ja die Verbesserung der Effizienz genutzt werden um die Arbeitszeit zu verkürzen.
Mein persönlicher Einwand dabei ist ein Prinzipieller: Meiner Meinung nach, macht es ja durchaus auch Sinn “ineffizient” zu arbeiten. Der Mensch ist nun mal keine Maschine und warum muss immer alles 100% effizient sein? In der Musik wären nicht nur die Töne wichtig, sondern auch die Pausen dazwischen, soll Feldenkrais ein Mal gesagt haben. Unabhängig davon, überschneiden sich meine Meinungen und die von Simon Schaupp aber in vielen Bereichen.
Er meint nämlich weiter noch, dass wir – und damit ist die gesamte Gesellschaft gemeint – uns nun mal überlegen müssen, wie wir mit der Digitalisierung umgehen. Dass sie da ist, ist nicht zu bestreiten. Die wesentliche Frage ist aber jetzt: Nutzen wir sie um eine bessere Gesellschaft aufzubauen, oder nutzen wir sie um Profite von Unternehmen zu maximieren? Und interessanter Weise regt sich gegen diese Form der Ausbeutung auch mehr Widerstand, als man sich eigentlich erwartet. Allerdings wird in den Medien leider doch relativ wenig darüber berichtet.
Wer mehr dazu wissen will, soll sich am besten gleich den Podcast anhören, der ursprünglich auf der Seite der TAZ veröffentlicht wurde (hier geht es zum Dissens Podcasts über Algorithmen)
Und jetzt geht es mit den Büchern weiter:
Algorithmus Buch 1 von Simon Schaupp:
Technopolitik von unten: Algorithmische Arbeitssteuerung und kybernetische Proletarisierung
In diesem Buch arbeitet Simon Schaupp alles auf, was er im Podcast weiter oben nur grob anschneidet. Also wie Firmen die Digitalisierung benutzen, um ihre Mitarbeiter besser ausquetschen zu können. Das machen sie ja durchaus sehr clever, muss ich schon sagen. (Leider) Und er bespricht auch welche Formen von widerstand sich dagegen organisieren und welche Alternativen es trotzdem gibt. Ein wirklich lesenswertes Buch, das vor kurzem bei Matthes und Seitz erschienen ist.
352 Seiten, Softcover Paperback, Verlag Matthes und Seitz
Preis: 20,00 €
Algorithmus Buch 2 von Simon Schaupp:
Digitale Selbstüberwachung: Self-Tracking im kybernetischen Kapitalismus
Dieses Buch ist bereits etwas älter, aber nicht weniger interessant. Das Thema ist ähnlich wie im Titel “Technopolitik von unten”, auch hier geht es um das Tracken von Menschen. Allerdings tracken sich die beschriebenen Menschen hier selbst und werden nicht von der Firmanleitung getrackt. Allerdings haben sie trotzdem die selben Ziele: Die Optimierung. diesmal eben die Selbstoptimierung.
Während man aber von Firmenchefs irgendwie erwartet, dass sie ihre Arbeiter keine leeren Kilometer machen lassen wollen, frage ich mich, wieso sich Menschen selbst tracken. Das wird zwar in dem Buch erklärt, verstehen kann ich es aber trotzdem nicht. Selbstoptimierung ist das Zauberwort. Also möglichst viel “tun” und möglichst wenig Zeit dafür aufwenden. Eigentlich ziemlich seltsam, denn Menschen, die sich dauernd selbst optimieren, funktionieren ja eigenlich nur nich, leben aber nicht mehr richtig. Warum sie es trotzdem tun und welche Auswirkungen das auf ihre Lebensqualität hat und auf die Gesellschaft als ganzes, das steht im Buch.
160 Seiten, Taschenbuch, Verlag Graswurzelrevolution
Preis: 14,90 €
Beide Bücher kann man über den stationären Buchhandel beziehen, Amazon ist zwar bequem, aber nicht empfehlenswert.