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Yoga für Menschen mit Behinderung

Als ich neulich für ein anderes Thema recherchiert habe, bin ich auf eine Seite gestossen, auf der eine Berliner Yogalehrerin, die selbst eine teilweise Querschnittslähmung hat, Yogaunterricht für Menschen mit Behinderung anbietet. Ich fand das Thema faszinierend und habe sie kontaktiert. Wir haben einige Mails gewechselt und ich habe dann beschlossen Sie für meinen Blog zu interviewen. Das Thema hat mich einfach fasziniert. Immer wenn Menschen Dinge tun, die man nicht unbedingt erwartet und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, fasziniert mich das. Hier also das Interview mit Katja Sandschneider.

Interview Katja Sandschneider, Yoga für Menschen mit Behinderung in Berlin

– Kannst du meinen Lesern bitte kurz deine persönliche Geschichte und die deiner Erkrankung erzählen.
Drei Wochen nach meiner Geburt hatte ich eine Blutung im Rückenmark und lebe seither mit einer inkompletten Querschnittslähmung. Inkomplett, da sie nur meine rechte untere Körperhälfte, also Hüfte und Bein, betrifft. Meine Eltern haben sehr früh mit diversen Therapien begonnen und ich wurde als Kind mehrere Male operiert, um die Stellung des Knie- und Hüftgelenks zu optimieren. Es hat sich gelohnt! Ich hatte eine sehr unbeschwerte Kindheit, bin Rollschuh gelaufen, Fahrrad gefahren, habe Fußball gespielt (ich war eine gefürchtete Torfrau ;-)) und habe sogar die Krankenhausaufenthalte auf meine Art genossen, da es eine sehr kleine und familiäre Kinderstation war.

– Wie hat sich diese Behinderung real in deinem Leben ausgewirkt? Musstest du Hilfsmittel (Rollstuhl, Krücken…) verwenden? konntest du in der Schulzeit Sport betreiben? Wie sehr war dein Leben eingeschränkt?
Es ist unglaublich, wie sich der Körper an gewisse Konstitutionen gewöhnen und sich entsprechend auf sie einstellen kann. So war ich bereits als Kind und Jugendliche extrem muskulös, da quasi der ganze restliche Körper (Arme, Oberkörper und linkes Bein) die Kraft des gelähmten Beines ausgleicht.

Yoga für Menschen mit Behinderung in Berlin

Mit drei Jahren erhielt ich meine erste Orthese und habe laufen gelernt. Seither ist meine Orthese meine zweite Haut, meine Lebensgrundlage. Als Kind hatte ich außerdem noch einen Rollstuhl, um weitere Strecken zurück zu legen. Je älter ich wurde, desto mehr Ausdauer und Kraft bekam ich, sodass ich den Rolli irgendwann nicht mehr benötigte. Krücken gehören aber nach wie vor zu meinen täglichen Hilfsmitteln, da ich ohne Orthese keinen einzigen Schritt machen kann. Umso unglaublicher, dass ich mit einer guten Orthesenversorgung ein völlig unabhängiges und aktives Leben führen kann. Ich lebe in Berlin, lege jeden Tag mehrere Kilometer zurück, da ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre, wohne im 3. Stock (ohne Aufzug), gehe tanzen, zum Sport…

In der Schulzeit habe ich bis zur Pubertät am Sportunterricht teilgenommen und immer eine 1 bekommen. Nicht weil meine sportlichen Leistungen so hervorragend waren, sondern weil ich tolle Lehrer hatte, die meine Motivation und meine Willenskraft bei der Notengebung in den Vordergrund stellten. Außerdem halfen mir meine Mitschüler oft. Wenn ich z.B. auf dem Schwebebalken turnte, was ich sehr gerne machte, liefen zwei Freundinnen neben mir her, denen ich jederzeit zur Stütze die Hand reichen konnte.

– Was hast Du zu Beginn gegen Deine Erkrankung unternommen? (Physiotherapie steht ja auf der Webseite. vielleicht kannst Du das in ein paar Sätzen erklären.)
Zu Beginn haben eher meine Eltern viel unternommen, da ich ja noch ein kleines Kind war. Wir machten viel Vojta und ich musste mich einigen Operationen unterziehen. Aber wie gesagt, es hat sich gelohnt. Als Jugendliche wurde ich dann aktiver und machte selbst Kraftübungen und ging schwimmen.

– Wann und wie bist du dann zu Yoga gekommen?
Ich hatte bereits lange vor, Yoga mal auszuprobieren. Damals hatte ich jedoch noch gar keine Ahnung, was das genau ist, und so war ich doch etwas gehemmt durch die Befürchtung, die Übungen nicht mitmachen zu können und nur dumm herumzusitzen. Der Besuch meiner ersten Yoga-Stunde war dann mehr oder weniger Zufall, da ein Yoga-Studio in meiner Nachbarschaft öffnete und es schlicht bequem war, dort mal vorbeizuschauen. Diese erste Stunde hat buchstäblich mein Leben verändert! Zum einen war ich erstaunt, dass ich wirklich jede der Übungen mitmachen konnte. Klar, ich musste von Beginn an einiges abwandeln, aber das fiel mir überhaupt nicht schwer – im Gegenteil, es war bzw. ist eine kreative Herausforderung :-) Zum anderen waren die Wirkungen nach der Yoga-Stunde unglaublich: Ich fühlte mich sehr entspannt und ruhig und gleichzeitig total gestärkt und aufgerichtet. Bis heute bin ich nach jeder einzelnen Yoga-Praxis fasziniert von deren positiven Wirkungen!

– Wie sehr bist du im Alltag auch jetzt noch eingeschränkt? Kannst du jetzt alles machen, oder “nur” viel mehr als früher?
Mit 19 bin ich von zu Hause ausgezogen und lebe seither selbständig und benötige im Alltag im Prinzip keine Hilfe. Die Frage ist aber, wie genau mal Alltag definiert bzw. welche Tätigkeiten dazu gehören. Wenn eine schwere Kiste von meiner Wohnung in den Keller muss, kann ich das schlecht selbst machen. Wenn alle meine Freunde mit dem Fahrrad zur nächsten Kneipe fahren, muss ich eben auf den Bus warten oder ein Taxi nehmen. Aber ich nehme das nicht wirklich als Einschränkung wahr, denn ich weiß: Wenn es mir wichtig genug wäre, würde es auch gehen. Ich kann Fahrrad fahren, mir ist es im Berliner Stadtverkehr jedoch schlicht zu gefährlich. Und schwere Kisten habe ich mitunter auch schon mal von Stufe zu Stufe runter plumpsen lassen bis sie im Keller waren. Es gibt so viele inspirierende Menschen mit „Behinderung“, die Unglaubliches schaffen. Man schaue sich nur die Paralympics an. Deshalb bin ich fest überzeugt: Es geht alles, die Frage ist nur, wie sehr man etwas möchte und welchen Weg man dazu wählt.

– Und wie ist das für Dich, wenn Du jetzt zurückblickst: Du hast bestimmte Ziele erreicht und nicht resigniert. Wie fühlt sich das an?
Es fühlt sich toll an! Gerade seit ich regelmäßig Yoga praktiziere, habe ich das Gefühl, mein Leben fest in der Hand zu haben. Natürlich gibt es Momente, in denen ich grübele, frustriert bin und nicht weiter weiß. Aber diese vergehen so schnell wieder, wenn ich an all das Positive in meinem Leben denke, dass sie letztlich keine Rolle mehr spielen. Mein Vater hat mir vor vielen Jahren mal eine kleine Lebensweisheit mitgegeben, an die ich oft denken muss: „Ärger dich nicht über das, was du sowieso nicht ändern kannst, sondern konzentriere dich auf die Dinge, die du selbst mitgestalten kannst.“ Klingt simpel – ist es letztlich auch. Natürlich könnte ich Stunden um Stunden mit der Frage zubringen: Warum ich? Warum diese Behinderung? Aber es würde letztlich nichts an der Situation ändern bzw. sie sogar verschlimmern, da negative Gedanken uns unglücklich machen und unseren Körper schwächen. Also fokussiere ich mich eher darauf, wie ich meine Ziele erreichen und meine Träume verwirklichen kann. Das macht so viel mehr Spaß ;-)
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Und wie bist du auf die Idee gekommen Yoga für Menschen mit Behinderung zu unterrichten? Gibt es das häufig in Deutschland oder ist das das erste Angebot in diese Richtung?

Hier muss ich wieder einen schlauen und sehr schönen Spruch zitieren: „Legt das Leben dir Steine in den Weg, bau was Schönes draus“. Im selben Moment als mir die Idee kam, meine Yoga-Praxis zu intensivieren und eine Yogalehrer-Ausbildung zu machen, war klar: wenn schon Yogalehrerin, dann für körperbehinderte Menschen! Warum nicht meine eigene Körperbehinderung für etwas Gutes einsetzen?! Dieser Gedanke hat sich umso mehr verstärkt, als ich nach ersten Recherchen erkannte, dass solche spezialisierten Yoga-Kurse deutschlandweit bisher nur von drei bis vier anderen Lehrern angeboten werden; in Berlin bin ich (meines Wissens) die Erste. Es gibt zwar Kurse für Senioren, z.B. Yoga auf dem Stuhl, aber eben nicht für Menschen im Rollstuhl, Menschen mit Lähmungen, Ataxien u.ä.

– Welche Schüler hast Du? Welche Erkrankungen habe sie, welche Hintergründe, welche Motivation? Warum kommen sie in Deinen Unterricht?
Die Gruppen sind sehr heterogen, sowohl was das Alter als auch die gesundheitlichen Hintergründe betreffen. Etwa 50% sind derzeit Rollstuhlfahrer, andere wiederum haben wie ich eine Orthese oder leben mit neuen Hüftgelenken. Die Hauptmotivationen für ihre Teilnahme sind der Wunsch nach Entspannung und das Bedürfnis, ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Tatsächlich ist es fast immer die Kombination dieser beiden Punkte, d.h. die mentalen Auswirkungen sind mindestens genauso wichtig wie die körperlichen. Und trotz der Unterschiedlichkeit der Teilnehmenden ist es jedes Mal aufs Neue faszinierend, dass Yoga auf alle die gleichen positiven Auswirkungen hat.
Ich kann nur alle Menschen mit Handicaps ermutigen: Wenn ihr Lust auf Yoga habt, ruft mich an, schreibt mir eine E-Mail und kommt zu meinen Kursen! Ihr seid herzlich eingeladen und ich bin sicher, wir finden gemeinsam euren ganz individuellen Yoga-Weg.

Alle Infos über Katja Sandschneider gibt es auf ihrer Webseite: yoga-barrierefrei.de

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